Der evangelische Friedhof in Wengern ist schon fast 200 Jahre alt, hat also eine lange Geschichte und auch einige  historisch interessante Grabstätten.

Die Gebräuche im Umgang mit dem Tod bzw. den Verstorbenen haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder geändert und den unterschiedlichen Lebensbedingungen angepasst. So bestimmte Karl der Große in seinem am Ende des 8. Jahrhunderts verfassten Gesetzeswerk, der Capitulatio de partibus Saxoniae, dass „die Leiber der christlichen Sachsen auf die Friedhofe der Kirchen und nicht zu den Grabhügeln der Heiden gebracht werden sollen“. Auch im Sachsenspiegel, dem ältesten  Rechtsbuch im Mittelalter für den deutschen Bereich stand schon festgeschrieben, dass der Bereich und die Begräbnisstätten um die Kirchen herum „Freie Plätze“ seien, auf denen auch öffentliche Versammlungen stattfinden konnten. Selbst Wochen- und Jahrmärkte fanden im direkten Umfeld der Kirchen statt,  so dass die alltägliche Begegnung und der Umgang  mit dem Tod viel selbstverständlicher waren als heute.  Martin Luther hat dann in seiner Zeit geschrieben: „der Friedhof solle ein feiner stiller Ort werden, darauf man mit Andacht gehen und stehen kann“.

In Wengern wurden  zunächst – wie in vielen anderen Orten -  die Verstorbenen um die Kirche herum auf einem Kirchhof bestattet, bis der Raum dort nicht mehr reichte. 
In einer Schrift der evangelischen Gemeinde Wengern  „Zu ihrem  300jährigen Reformations-Jubelfeste“ aus dem Jahr 1843 steht zu lesen: „Bis zum Jahr 1823 wurden die Leichen auf dem Kirchhofe bei der Kirche beerdigt. Der Raum war aber dort so beschränkt und die Gräber so angehäuft, daß man die Anlage eines neuen Begräbnis-Platzes beschloss. Dieser wurde auf Kosten der Kirchen-Kasse angelegt. Er zeichnet sich durch Lage, Größe, Einrichtung vorteilhaft aus. Am ersten Advent-Sonntage, 30. November 1823, wurde er im Beisein der ganzen Gemeinde, - die in Prozession von der Kirche und dem alten Kirchhofe, wo der Pfarrer Petersen Abschieds-Worte geredet, unter Gesang dorthin gezogen war,- durch den Pfarrer Natorp, der dabei die Rede über: 2. Mose 3 V. 5. hielt, feierlich eingeweiht.“

Von Pastor Gustav Ludwig Natorp, der von 1823 bis 1861 Pfarrer in Wengern war, liegt eine Handschrift vor, die die Anlage des neuen Friedhofes beschreibt und Vorschriften zu den Begräbnis-Stätten enthält. Es wird erzählt, dass diese Handschrift, die die Angelegenheiten des Friedhofes sehr detailliert beschreibt, auch als Grundlage für die Preußische Friedhofs-Ordnung gedient haben soll. Zur Kirchengemeinde Wengern, deren Bewohner auf dem neuen Friedhof beerdigt werden sollten, zählten damals auch die Gemeinden Bommern, Esborn und Silschede, so dass der Friedhof in vier große Felder aufgeteilt wurde, jeweils ein Feld  für eine Gemeinde, umgeben von einer Hecke, an der entlang sich die sog. Erbbegräbnisse reihten.
Der Friedhof, wie wir ihn heute kennen, ist natürlich mehrfach erweitert worden, aber der Grundriss der damaligen Anlage ist im unteren Bereich noch immer zu erkennen.
Die Aufzeichnungen des Pastor Natorp beginnen mit den Worten:
„Hoch auf einem Berge, von dem man eine schöne Aussicht auf das Ruhrtal, auf das Dorf und auf einen Teil des Kirchspiels hat, entfernt von allem Geräusche, auf dem Felde der ersten Pastorat, liegt der neue Gottesacker der evangelischen Gemeinde zu Wengern, und zwar in einer Richtung vom Dorfe nach Nord-West. Auf einer breiten Kunststraße (das ist wohl heute die Trienendorfer Straße) gelangt man von dem Dorfe nach dem gerade vor der Mitte gegen Südwest liegenden Eingang desselben, wo zwei hohe steinerne, weiße, viereckige Säulen stehen, in welche ein großes, hölzernes, schwarz angestrichenes, mit Schloss und Riegel versehenes Gittertor hänget. Ist man in der Mitte des Gottesackers, so sieht man, dass derselbe ein längliches Viereck bildet, dessen Breite 260 und dessen Länge 312 Fuß preussisches  Maß ausmachen“. 

Leider sind  das Tor und auch die Säulen nicht mehr vorhanden, aber es handelt sich wohl um den „unteren“ Eingang von der Trienendorfer Straße aus. Die „schöne Aussicht“ ist leider verschwunden, als man für die Bahnstrecke von Dortmund nach Köln, die 1911 - 1934  gebaut wurde, einen Wall zwischen Friedhof und Dorf aufschütten musste. Erhalten geblieben ist die Wegeführung auf dem Friedhof und die Einfassung durch eine Hecke. Auch die hohen alten Bäume stammen vermutlich aus der Zeit um 1823. Text von Pastor Natorp zu diesem Thema:„Der ganze Gottesacker ist durch eine lebendige Dornenhecke eingefasset, an deren beiden Seiten, sowohl innerhalb als außerhalb ein schmaler, nur 3 Fuß breiter Weg ringsum läuft, um dem Arbeiter Platz zu verschaffen, die Hecken gehörig zu schneiden. An diesen schmalen Weg schließen sich ringsum 137 Erbbegräbnisse an, deren jedes 21 Fuß lang und 7 Fuß breit ist, und zwar so, dass die Breite an den Wegen liegt......Der noch übrige, aber Haupt-Raum des Gottesackers wird von der Mitte aus durch einen 18 Fuß breiten, an beiden Seiten mit Linden bepflanzten Kreuzweg, dessen einer Arm nach dem Eingange geht, in vier große Felder geteilt, deren jedes 78 Fuß breit und 102 Fuß lang ist. In der Mitte des Gottesackers befindet sich eine kreisrunde, ausgestochene Fläche, deren Durchmesser 50 Fuß beträgt, ringsherum mit Trauerweiden bepflanzt  und die zur Anlage eines kleinen Tempels dienen sollte...... (Auf die Pläne für diesen „Tempel“ komme ich später nochmal zurück).

Pastor Natorp macht dann genaue Vorschriften, wie und in welcher Himmelsrichtung die Gräber ausgerichtet werden sollten, wie lang die Grabstellen sein sollten usw. „Unregelmäßigkeiten“ sollten vermieden werden und „der Reihe nach begraben werden“.
„Jedes Grab, sowohl auf den vier Hauptfeldern als auf den Erbbegräbnissen wird nach einer und derselben Himmelsgegend 5 Fuß tief gemacht und nach Einsenkung der Leiche mit Rasen bedeckt. Damit auch dieses regelmäßig und ordentlich geschehe, überhaupt damit der Gottesacker immer in gehöriger Aufsicht stehe, ist das Grabmachen durch die Nachbarn der Leichenhäuser abgeschafft, und ein eigener Totengräber angesetzt worden.
Auf den vier Hauptfeldern dürfen keine Denkmäler gesetzt werden und auf den Erbbegräbnissen nur, wenn dieselben zuvor durch die Pfarrer geprüft worden sind, um auch hierbei törichte Inschriften zu vermeiden.“
Festgelegt wurde auch die Tiefe des Grabes und die Liegezeit. Nach Überlegungen von Pastor Natorp sollte der Friedhof auch bei zunehmender Bevölkerung für 500 Jahre ausreichen, und weil die umliegenden Felder auch im Eigentum der Gemeinde waren, sei auch genügend Platz für eine eventuelle Vergrößerung vorhanden.

Bei den Überlegungen, den neuen Friedhof anzulegen, standen lt. Natorp folgende Punkte im Mittelpunkt:
1) „dass derselbe ohne der Gemeinde Kosten zu verursachen, angelegt werde, weil dieselbe seit mehreren Jahren viele Ausgaben gehabt,
2) dass die gesetzlichen Verfügungen, besonders die im Arnsberger Amtsblatt 1818 Nr. 684 bei der Anlage desselben beobachtet würden,
3) dass derselbe auf einen Zeitraum von 500 Jahren berechnet und einer künftigen Vergrößerung fähig sei.
4) dass derselbe eine schöne Lage, und die Einrichtung desselben eine in die Augen fallende Schönheit besonders Regelmäßigkeit an sich trage.
5) dass auf demselben ein kleiner Tempel gebaut werde, teil, um darin die Leichen zu halten, teils und vornehmlich aber auch um den oft 2 Stunden weit kommenden Leichenbegleitern einen Schutz gegen Wind und Wetter zu verschaffen, wozu bis dahin die Kirche gedient.“
 
Die Punkte 2 bis 4 konnten schnell erfüllt werden, Punkt 5 musste allerdings „auf Befehl der hochlöblichen Regierung“ unterbleiben.
Ausführungen Natorp hierzu: der Tempel durfte nicht gebaut werden,“obgleich die Gelder für die Errichtung eines solchen Tempels vorhanden waren, und ein solcher Tempel gewiss sehr nötig gewesen wäre und jetzt noch ist, (abgesehen davon, dass der Gottesacker dadurch eine vollendete Schönheit erhalten und die Gemeinde nicht gedrückt worden wäre), indem die hohe Lage auf einem dem Winde und Wetter überall ausgesetztem Berge  den Predigern sowohl, als auch den übrigen Leichenbegleitern sehr schädlich ist.“
Die Verantwortlichen konnten allerdings nicht von der Notwendigkeit eines solchen Baues überzeugt werden, stattdessen sollten mit den für den „Tempel“ vorgesehenen  Geldern  andere Schulden der Gemeinde bezahlt werden. Wenn man bedenkt, dass vor circa 200 Jahren auch aus abgelegenen Gehöften  von Esborn oder gar Silschede die Toten nach Wengern begleitet wurden, zu Fuß oder auf von Pferden gezogenen Karren, ist der Wunsch nur allzu verständlich, dass man einen Raum auf dem Friedhof vorfinden wollte, der Schutz bieten konnte, z.B. gegen Regen, Schnee oder eisige Winde. Aber zu diesem Bau ist es damals nicht gekommen.

Was die Kosten für die Anlage des Friedhofs anging, gibt es von Natorp auch wieder genaue Vorschriften. Der Friedhof finanzierte  sich zum großen Teil durch den Verkauf von 137 Erbbegräbnissen entlang der Umfassungshecken. Drei dieser Erbbegräbnisse, für die es auch wieder gesonderte Vorschriften gab, sicherte sich die Kirchengemeinde, dort sind bis heute auch einige Gräber der in Wengern tätigen Pastoren zu finden. Andere wurden von der Familie von Schwachenberg erworben, die ihren Sitz auf Haus Hove in Oberwengern hatte. Auch viele Bauernfamilien, deren Namen bis heute bekannt sind, gehörten zu den Käufern der Erbbegräbnisse. Auch für die Beerdigung auf den vier Feldern wurde ein Beitrag erhoben, außer „für die Armenleichen und die in den Erbbegräbnissen“.

„Die Kosten endlich für die Ansetzung des Totengräbers müssen die Gemeindemitglieder selbst tragen, indem derselbe von jeder Leiche ohne Ausnahme 20 Stüber gem. Geld erhält, - für das Scheren der Hecken und für die sonstige Aufsicht des Gottesackers...z.B. das Reinigen der Wege empfängt er das auf denselben wachsende Gras. Doch ist mit dem jetzigen Totengräber ein jährlich zu kündigender Akkord abgeschlossen, um ihn desto besser zu seinen Pflichten anhalten zu können.“ Zitat aus der Schrift von Pastor Natorp.

Auch für die Anlage der Erbbegräbnisse finden sich in  der Schrift von Natorp einige Angaben:
1) „ ein Erbbegräbnis  ist ein mit Pfählen (jetzt mit nummerierten Steinen) abgesteckter Platz von 21 Fuß Länge und 7 Fuß Breite.
2) Ein solches Erbbegräbnis kostet …..Geld (nicht zu lesen)
3) Dieser Kaufschilling muss gleich bei der Übergabe des Begräbnisplatzes bezahlt werden
4) Ein solches Erbbegräbnis kauft man für sich, seine Eltern und Nachkommen, kann aber nicht zerteilt werden, sondern bleibt bei einem Hause.
5) Dienstboten dürfen auch im Erbbegräbnis beerdigt werden.
6) Ebenso auch Auswärtige unter der Bedingung, dass die gehörigen Gebühren dem ungeachtet an die Kirche gezahlt werden.
7) Einlieger und Pächtiger werden so wie alle diejenigen, die kein Erbbegräbnis haben, auf den vier Feldern begraben.
8) Nie können zwei Haushaltungen ein Erbbegräbnis gemeinsam besitzen.
9) Wenn einer aus der Gemeinde wegzieht, so hat er das Recht,mit Bewilligung des Kirchenvorstandes sein ganzes Erbbegräbnis an eine einzelne Haushaltung zu verkaufen.
10) Jeder Besitzer eines Erbbegräbnisses kann einen Stein, oder ein Denkmal mit Erlaubnis des Pfarrers auf dasselbe setzen, oder auch dasselbe auch gesetzlich einschließen.
11) Das Decken der Gräber, wie das Setzen von Totenrasten  wird, wie bisher erlaubt sein.
12) Alles Übrige richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.


Zitate aus der Handschrift von Pastor Natorp und aus der Schrift der „Evangelischen Gemeinde Wengern zu ihrem 300 jährigen Reformations-Jubelfest“ sind kursiv geschrieben.

Vielen Dank an Doris Hülshoff für die Erstellung des Textes.